Reflexiv

Die reflexive Arbeit ist ein Gefäss, in dem die Kunst über sich selbst nachdenken kann via Künstler, eine Einladung, an diesem Denken teilzunehmen, Fragen zu stellen und in ein Gespräch zu geraten. Dieses Gefäss ist jeweils zu erfinden, deshalb ist die reflexive Arbeit ein Experiment. Es geht nicht um fertige Texte, Abhandlungen, Meinungen, theoretische Erörterungen, etc., sondern um eine jeweils spezifische Form der Selbstbestimmung. weiter...

Impressum

Redaktion: Master Studierende Diplom 2016. Support: Birgit Kempker, Website: Master Studierende Diplom 2016. Support: Esther Hunziker
© Institut Kunst – HGK FHNW, die AutorInnen und KünstlerInnen, Basel, 2016
www.fhnw.ch/hgk/iku, www.institut-kunst.ch

Reflexiv



Die reflexive Arbeit 1
ist ein Gefäss, in dem die Kunst über sich selbst nachdenken kann via Künstler, eine Einladung, an diesem Denken teilzunehmen, Fragen zu stellen und in ein Gespräch zu geraten. Dieses Gefäss ist jeweils zu erfinden, deshalb ist die reflexive Arbeit ein Experiment. Es geht nicht um fertige Texte, Abhandlungen, Meinungen, theoretische Erörterungen, etc., sondern um eine jeweils spezifische Form der Selbstbestimmung. Sie muss nicht sprachlich sein, nicht schriftlich und auch nicht in irgendeinem Medium festgehalten werden. Entscheidend ist ihre Möglichkeit, Räume zu öffnen fürs Denken und Sprechen und einzustimmen in die mentalen Umgebungen der Werke. Eine reflexive Arbeit kann ein mündlicher Bericht über Lektüre sein, es können Interviews, Schlafprotokolle, Filme, Musik ... Mitschriften von nie stattgefundenen Treffen sein, wichtig ist: sie sollte sich öffnen wollen, ein Gesprächsangebot machen, sie sollte Lust haben und Lust darauf machen, etwas in die Karten zu schauen, sich in die Karten schauen zu lassen, ins Handwerk, in die Motivation, in das Nichtwissen, in den Antrieb und in die Wege der Kunst. Es geht um kein schweres schwitzendes Beackern und Zerhacken der eigenen Kreationen, sondern auch um den inspirierenden und leichten, mutigen und oft paradoxen, verblüffenden Funken beim Denken. Und ja, dieser denkende Moment wohnt dem Kunstwerk selbst natürlich bei und inne. Die reflexive Arbeit macht per leichter Verschiebung und Betonung darauf aufmerksam.


Die reflexive Arbeit 2
ist ein Gefäss, dass jeweils neu zu erfinden ist. Es möchte Raum für Einsicht bieten, Innenansichten, Aussenansichten, Eigeneinsichten und ein Gespräch suchen mit anderen Ansichten und Sehansätzen. Zunächst möchte dieses Gefäss der Kunst und dem Kunstwerk, der künstlerischen Arbeit, Möglichkeit bieten, mit sich selbst zu sprechen und dann den Künstlern, ihre Positionen, Haltungen, Zweifel, Methoden und Vorbilder, Absichten, Geheimnisse und Motivationen, Lieben und Ängste denkend und somit denkend handelnd, auszuprobieren. Denken ist immer persönlich. Mut gehört dazu, Mut Fehler zu mache, nackt da zu stehen, sich zu verirren oder etwas zu denken, was weh tut. Die reflexive Arbeit möchte dies arteigen tun, mit Leichtigkeit abheben, schweben, fliegen oder auch mit Schwermut, ackernd wie ein Gaul. Sie weiss, dass sie in ihrer eigenen Zeit statt findet und für sie blind ist. Sie sucht nach Selbstbestimmung und Selbstsetzung und sie weiss, dass Sätze alleine noch gar kein Anzeichen von Bewusstsein sind. Oder denkt das Ornament? Der Mut und die Freiheit selbst zu denken ist nicht selbstverständlich und besonders in Ausbildungszusammenhängen ein kostbares und zu schützendes Gut. Die reflexive Arbeit kann in jedem Medium statt finden. Es kann eine Beerdigung sein, ein Konzert, eine Führung, Brot backen, Menschen bauen, Steine hauen, Sendemaste vergolden, Tarotkarten deuten, ... wichtig ist, dass sich in ihr das künstlerische Tun und Treiben selbst begegnet, begehbar ist und offen, Lust auf die sogenannte Begegnung hat mit dem was gerade nicht Kunst ist und Kunst als Kunst erkennen will.


Die reflexive Arbeit 3
ist eine leichte und schöne Sache. Bevor sie leicht und schön ist kann sie hart, schwer und unangenehm sein. Meist läuft sie durch einen Nullpunkt von gar nichts will mehr gehen und verstehen, dann öffnet sich das Gate wie von alleine.


Die reflexive Arbeit 4
gibt es nicht. Sie ist immer anders. Sie ist lebendig. Füttern und streicheln erlaubt!
Birgit Kempker

Christelle Becholey Besson

All It Could Have Been

I want alternative time rather than space.

www.christelleb.ch






Oliver Falk

Iteration BABY

Klang und visuelle Erfahrung – in den meisten Situationen des Lebens untrennbar; und doch zwei Welten für sich, die analytisch getrennt inszeniert werden in der Installation Iteration BABY (2016).

Es geht um Steine. Anorganisches mineralisches Material, dass uns zuerst einmal nur wenig assoziative Anhaltpunkte für mögliche Klangwelten bietet. Das Knirschen von Kies am Meer kommt in den Sinn. Statt scheinbar ungeordneten Untergründen basiert Iteration BABY jedoch auf systematischen Überlegungen. In der Konsequenz triumphiert formale Einfachheit und materielle Begrenztheit über sinnliche Verführung. Dies sind Reibungen, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, ihr ein reichhaltiges Netzwerk von Bezügen bieten und zwischen unterschiedlichen Kulturtechniken und Medien vermitteln.

Eine Anordnung von Steinen unter Wasser, im Aquarium. «Aquascaping» lautet die Technik, die ich für dieses Arrangement, mein Display, anwende. Ausgehend von der Grundstruktur des Steingartens entsteht eine abstrakte Landschaft («land-scape»), die in den ohnehin grössenverzerrenden Dimensionen des Wassers und im kubischen Rahmen des Aquariums miniaturisiert ist. Grösse gewinnt nun die Konzentration, die die Sprödheit der gleichförmigen Steine evoziert und der man sich als Betrachter/in kaum entziehen kann – und will. Entspannung durch Anspannung, Loslassen durch Freilassen – von existentiellen Möglichkeiten, die einem Objekt innewohnen und in die sich das Subjekt zurückzuziehen kann.

Spannung kommt in Iteration BABY jedoch auch auf andere Weise zum Einsatz; als elektronische Spannung, die für ein zweites wichtiges Element von meiner Arbeit notwendig ist: besagten Klang. Über ein System aus einem Transducer (Schallkopf) und einem Hydrophon (einem Gerät, das Wasserschall in entsprechende elektrische Spannung umwandelt), das Geräusche aus dem Raum ausserhalb des Aquariums in sich aufnimmt, hören wir unsere eigene Anwesenheit, wie sie innerhalb des Unterwasser-Steingartens zu hören sein könnte. Innerlichkeit und Äusserlichkeit verschwimmen zusehends – bzw. -hörends.

Das Hören ist entscheidend. Denn akustischer Ton und atmosphärische Tonalität sind auch in meiner künstlerischen Praxis untrennbar. Die sich aus diffizilen technischen und kompositorischen Schnittstellen ergebende Installation ist Schnittstelle ansich für grössere Fragen nach dem Verhältnis von bildender Kunst und Musik. Die Suche nach Antworten ist wesentlich zeitbasiert: ein Prozess des Ausgeschlossensein – der Wasserkubus ist uns allein als Bild zugänglich – und zugleich des unweigerlichen Einflusses auf dieses durch eine Art klanglichen Fussabdruck. Ein Amalgam sinnlicher Wahrnehmungen, selbst- und fremderzeugter Wirkung.















REBECCA FELDMANN

2 x 30 Minuten

«Bringt es mir was?
Oder bringt es mir nichts?
Lass ab von dieser Geisteshaltung und sitz einfach.»
– Kodo Sawaki

www.rebeccafeldmann.ch




Ping-Pong-Gespräche zwischen Fabio Luks und Tomaz Gnus


Für die reflexive Arbeit haben wir über verschiedene Themen wie die jeweilige künstlerische Arbeit, Einflüsse, Werdegänge und Zukunftsperspektiven gesprochen und dazu Ping-Pong gespielt. Dies haben wir an mehreren Tagen wiederholt, wodurch unser Spiel an Tempo gewann und die Inhalte der Gespräche wiederholt und vertieft wurden. Zentral war dabei stets die Lust am Spiel und am gedanklichen Austausch.

Beim Ping-Pong-Spiel steht man sich direkt gegenüber und kann dadurch ins Gespräch kommen. Weil man aber in Bewegung ist und nicht an einem Tisch sitzt, bekommt der Dialog eine ganz andere Dynamik. Auf die Spielaktion des einen muss der andere direkt reagieren, was sich auch auf den Frage- und Antwortfluss des Gesprächs auswirkt. Die Kunst besteht darin, die beiden Austauschformen im Gleichgewicht zu halten. Denn bei zu starker Konzentration auf die eine Tätigkeit wird die andere vernachlässigt und umgekehrt.


www.fluks.ch
www.tomazgnus.ch





Lara Gysi

BRUTAL ORDER- ich entscheide

In meiner reflexiven Arbeit habe ich mich mit dem Verhältnis von Wille, Freiheit und Entscheidung beschäftigt.

Angefangen hat es damit, dass ich feststellte, dass ich Entscheidungen wieder rückgängig machte. Eine konkrete Situation war zum Beispiel während der Teilnahme an einem Workshop: Ich hatte meine Tasche, Computer und Yogamatte bereits zusammengepackt und wollte gehen. In just jenem Moment entschied ich mich um und nahm weiter an den Übungen teil.
Dieses Phänomen veranlasste mich, mein Entscheidungsverhalten über einige Zeit genauer zu beobachten.
Begleitet hat mich dann mehrere Monate ein Flip- Chart- Block, den ich mit regelmässigen feinen Kugelschreiberstrichen ausfüllte. Diese Tätigkeit funktionierte als eine Art Motor für mein Arbeiten und ordnete mein Denken.

Welche Rolle spielt der Wille beim Entscheiden?
Welche Instanz in mir entscheidet? Lasse ich Verstand oder Gefühl entscheiden? Oder was sonst?
Wann lasse ich den Verstand entscheiden, wann das Gefühl? Und aus welchen Gründen?
Was passiert, wenn ich aus Reflex entscheide?

Wie verändern sich die Entscheidungen durch das Eintreten von Ereignissen?

Kann ich meinen Willen beeinflussen? Warum kann ich meinen Willen nicht beeinflussen?
Habe ich mich jemals für die Freiheit entschieden?
Kann man sich überhaupt für die Freiheit entscheiden?
Was ist Freiheit? Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, verändert sich dadurch die Freiheit?

Gab es in meinem Leben eine existentielle Entscheidung?
Wie sieht für mich eine substantielle Entscheidung aus?
Wie fühlt sie sich an? Muss sie sich so anfühlen, wie ich mir das vorstelle?
Wie stelle ich mir das vor?
Gehe ich von richtigen und falschen Entscheidungen aus?
Wie fühlt es sich an, wenn die Entscheidung richtig ist?
Was passiert, wenn ich eine falsche Entscheidung treffe?

Was ist der Unterschied zwischen Wahl und Entscheidung?
Gibt es überhaupt Entscheidungen? Wie oft sind sie?

Wie kam es zu meinen Entscheidungen?








Fanny Jemmely

Undefined I, undefined piece

«Here and now,
where it's ever about...
to happen!»










Nici Jost

PINK COLOUR SYSTEM

In the year 2000 I started collecting Pink, motivated by a personal attraction to the colour. Later, during my art studies, I began to realize and experience the emotional potential of this colour. It could irritate people, make them feel very emotional and affected them in ways that I had never imagined possible. I began to study the nature of pink in more depth. More then ten years later, the colour is not only omnipresent in my work, but it has also become an intricate part of my life.

The «Pink Colour System» is an attempt to systematically organize and categorize the colour. It not only emphasizes different hues and shades of Pink but also their historical, political and social meanings and the psychological effects it has on people and the reactions it provokes. I have categorized and named different and distinct shades of Pink according to my own system. This system includes political, social, historical and cultural elements and influences.

By nature, Pink is very complex and controversial. It varies between delicate, tender, youthful, beautiful, sweet and natural to artificial, disturbing, disrespectful and offensive. By analyzing the nature of Pink, its distinctive characteristics, its history and the effect the colour has in psychology, poetry, literature; The idea of the «Pink Colour System» is to name and categorize, but also to distinguish the meaning and essence of ten pink shades.

This «Pink Colour System» was created in collaboration with Fiocchi AG Lack- und Farbenfabrik. All colors can be purchased at their factory in Dietlikon. www.fiocchi-farben.ch


www.pinkproject.ch







































Anastasija Kadiša

Why did you doubt?

Video, 8:25 Min.
Material für Video: Wasser, Papier, Faden, Topf, Herd
Material für Klang: Schüssel, Plastikverpackung, rote Linsen


www.anastasijakadisa.wix.com/anastasija-kadisa






«Why did you doubt?» oder «Warum hast du gezweifelt?». Diese Aussage kommt in der biblischen Szene: «Christus wandelt über das Wasser» vor, in der die Frage der Notwendigkeit des Vertrauens behandelt wird.

Ich liess das Wasser kochen und warf drei Schriftrollen rein, um meine Überlegungen über diese Szene darzustellen. Für den akustischen Hintergrund habe ich eine klangliche Improvisation mit den Gegenständen hinzugefügt. Die Klänge sind nicht elektronisch verändert.

Nachdem ich den Roman von F.Dostoyewski «Die Brüder Karamasow» gelesen habe, war ich so begeistert, dass ich mich für das Thema «Glauben» für meine reflexive Arbeit entschlossen habe. Es war interessant den Begriff selbst zu recherchieren und tatsächlich zu entdecken, dass es mehrere Arten von Glauben gibt. Der «christliche Glauben» ist eine davon und hat mich besonders fasziniert.

Um den Begriff «christlicher Glauben» genauer zu betrachten, habe ich beschlossen, mich auf eine biblische Szene zu fokussieren. Dafür habe ich die drei Erzählungen von Matthäus, Markus und Johannes betrachtet, die gemeinsam von einer Szene, und zwar, vom «Wandeln übers Wasser Christi» reden. Dabei war es wichtig, unterschiedliche Interpretationen dieser Szene kennenzulernen, da alle biblische Texte in einer besonderen Sprachweise geschrieben sind. Ein wichtiger Punkt in meiner Recherche war die Begegnungen und Diskussionen mit einigen Theologen aus der Universität Basel, die meine Gedanken über Glaube und Zweifel im Zusammenhang mit dieser Szene mit neuen Kenntnissen und Ideen bereichert haben. Meine Überlegungen haben sich während der Recherche verändert und sich in ein audiovisuelles Werk mit dem Titel «Why did you doubt?» verwandelt.

Diese reflexive Arbeit hat mein Verhältnis zum Glauben insgesamt verändert. Ich habe bemerkt, dass es viele Lesarten und Deutungen der biblischen Texte gibt.




Ji Su Lee

Advice 2016

« ..der Rat als eine Gabe – eine Gabe , die erbeten oder ungefragt sein kann, willkommen oder lästig, hilfreich sein oder ratlos machend. Das als Gabe aufgefasste Ratgeben ist ereignishaft und riskant. Es gehört zur Logik des Ratgebens, dass es sowohl glücken kann als auch misslingen.»
– Michael Niehaus/Wim Peeters


www.jjissulee.com








Ping-Pong-Gespräche zwischen Fabio Luks und Tomaz Gnus


Für die reflexive Arbeit haben wir über verschiedene Themen wie die jeweilige künstlerische Arbeit, Einflüsse, Werdegänge und Zukunftsperspektiven gesprochen und dazu Ping-Pong gespielt. Dies haben wir an mehreren Tagen wiederholt, wodurch unser Spiel an Tempo gewann und die Inhalte der Gespräche wiederholt und vertieft wurden. Zentral war dabei stets die Lust am Spiel und am gedanklichen Austausch.

Beim Ping-Pong-Spiel steht man sich direkt gegenüber und kann dadurch ins Gespräch kommen. Weil man aber in Bewegung ist und nicht an einem Tisch sitzt, bekommt der Dialog eine ganz andere Dynamik. Auf die Spielaktion des einen muss der andere direkt reagieren, was sich auch auf den Frage- und Antwortfluss des Gesprächs auswirkt. Die Kunst besteht darin, die beiden Austauschformen im Gleichgewicht zu halten. Denn bei zu starker Konzentration auf die eine Tätigkeit wird die andere vernachlässigt und umgekehrt.

www.fluks.ch
www.tomazgnus.ch





Yolanda Esther Natsch

Vernunft, was weisst du?

Ich setze mich mit meiner Vernunft auseinander – nicht im Streit, ganz sachlich.
Ich frage sie: «Vernunft, was weisst du?»
Sie antwortet nicht.
Ich fahre fort: «Vernunft (da wir einen nüchternen Umgang miteinander pflegen, scheint mir dies die richtige Anrede für sie zu sein), Vernunft, wenn ich mich immer an deinen Rat halte, wo führst du mich hin?»
Sie antwortet immer noch nicht.
Ich fahre fort: «Angenommen, Mutter, Bruder und Hund lägen bewusstlos zwischen den Flammen in meinem Elternhaus und es könnte jeden Moment zusammenstürzen. Wen rätst du mir zu retten? Die Mutter, weil sie mich geboren hat? Den Bruder, weil er mir am längsten bleibt? Oder den Hund, weil er der leichteste der dreien ist? Ich liebe sie alle, deine Kriterien sind lächerlich – nein, grausam. Was würdest du mir raten? - Egal, du könntest mich niemals über den Verlust der anderen beiden hinwegtrösten.»
Meine Vernunft antwortet, dass es unvernünftig sei, ein brennendes Haus zu betreten und dass sie zwar für den Schmerz mitverantwortlich wäre, aber für den Trost nicht zuständig. Und sie fragt mich eindringlich, ob ich den Hund wirklich genau so liebe wie den Bruder und die Mutter, das sei doch nicht normal.
Ich gebe ihr Recht: «Ja. Das entzieht sich jeder Norm.
Vernunft, das kannst du nicht verstehen – musst du auch nicht. Dafür bist du nicht zuständig.»








Elia Navarro

Paradoxical Dream

Somni Paradoxal: Audio, 8:00
Paradoxical Dream: Audio, 2:51

www.elia-navarro.com






My reflexive work is a space for me to try to deepen into one question: how sensations and ideas are created while observing or listening to art. I have always wondered which kind of impressions, sensations and images arise while observing or listening to my works and how they might be different for one person or another. I also wonder how the intention of transmitting sensations and the actual perceived ones may or may not happen to be the same.

This reflexive work is meant to be an experiment which aims to answer these questions. In order to do that I asked several people from different contexts to listen to my audio work Somni Paradoxal. After listening, I requested them to write down the sensations, ideas and images that came up to their minds; to write a story, to tell how they were feeling or whatever they felt like expressing after or during listening to the work.

Once I read and assimilated the information that I obtained from them, I used this feedback to rewrite the work and reinterpret it parting from the stories or ideas written by the listeners, creating a second version of it.

The next phase of the experiment is to have the same people listen to the second version of the work and, once again, write the sensations, ideas or feelings that came from it. This reflexive work is still an experiment in process. Once I receive the second feedback I will continue the process by rewriting the second work again and asking for new impressions. I believe it would be really interesting for me to observe and compare the differences between the reactions to the many versions of the work and to see which images/ideas remain and which of them are gone, keeping in mind that the new versions/works have been based on the images originated by the listeners on the original work.

This whole process is making me reflect and become aware of how I am able to suggest certain sensations or ideas on the listener and it is also providing me a vague overview of my ability to influence or guide the listeners’ impressions. On the other side, I could also observe how this external imaginary and feedback could affect my own perception of the work and make it develop.

As a small sample, here are some of the impressions obtained from the original work:

Water, barrier. Where are you? I’m searching for you. Everything is strange for me. It’s raining, traffic. It scares me. Where am I? Where are you? I walk down the street, the road is wet, should I follow that car? Silence. I can’t hear a thing. Someone’s talking to me, but I can’t hear. I am afraid. I am alone, I don’t know anybody. I want to get out of here. Everything’s grey. Concrete. It’s night time. Everything’s too strange, I don’t feel safe. This is not my place. I want to go home. This is too much. I can’t do this anymore. I’m scared. Where are you? Why aren’t you here? I am alone. The city devours me. I’m waiting. I’m waiting…

underwater, people underwater, drowning? more people ... not real water, danger, ship under water ... waves ... radio ertrunken; fische mit radio im Bauch und Bauchtänzerin ...jemand schmatzt; harte Ketten ... Raketen, Hunde, Ohren schmerzen, Gong, ach so: Feuerwerk im Raumschiff unter Wasser. Schmerzhaft; eine falsche Kathedrale, Vögel es tut immer noch weh, es tut die ganze Zeit weh ... (im Ohr) endlich was Menschliches? Audiowerkstatt eines Comicvertoners. Handelt vom Sterben des Ohrs. Wenn Schmerz weg, Ohr weg. .... dann Wiederauferstehung, in zeitgenössischer Musik gelandet. Fegefeuer. Aufs Klavier modern. Blasen. Genau wie zeitgenössische Musik ... sie sagt: Blank. Super Blank. Harfe ... genau die Intervalle, die ich erwarte, pumpend. Blank, sagt die Stimme ... warum die zwei Teile, frag ich mich im zweiten, Sand? Ah endlich jammern sie zusammen, heule ... blank, immer noch zeitgenössische Musik. Blank . Blank. Ich habe keine Bilder. Eine singende Säge. Schönberg. Wer ist blank? Sie schreit. Haucht. Hämmert. Mantra. Höhe der Stimme tut auch weh. Schönes Schleifen. Kommandos. Kein Dialog. Tut so, aber da ist niemand. Kein Gespräch. Etwas was Dialog ersetzt. Selbstgespräch?

«In the beginning I was like underwater surrounded by stones under the sea but not very deep, I could see the sunlight. Little by little I started hearing street noises and it was paradoxical because I was still underwater! Like a truck that was passing by (I don’t know why always the same truck). Until suddenly everything went back to the beginning with that quietness of the water. In the second section I started hearing distorted dog-like sounds, like barking in a very weird way and I could not focus on anything but that until I started hearing a bell tower and I don’t know how but I was in a spaceship! And suddenly in the middle of it there was something very tribal but without leaving the spaceship, like it was the opposite to the beginning, very curious.»


[10/8 22:21] Lorena: I loved and also scared the shit out of me at the same time. I listened to it with the lights off and the headphones, turned the hell up of the volume. Iwas in constant tension.
[10/8 22:22] Lorena: Parting from the fact that I am scared of aliens
[10/8 22:24] Lorena: At first it was like being in a big, dark room, an almost infinite room. I heard bubbly-things by the end of the room, but they were really really far and I didn’t even know if it was the end of the room. A dark room with a dim light halo.
[10/8 22:24] Lorena: After that came the Little noises like someone was
[10/8 22:24] Lorena: (Aliens in this case)
[10/8 22:24] Lorena: Scanning me all over
[10/8 22:24] Lorena: Stifling and horrifying to think they could even get to touch me
[10/8 22:25] Lorena: And then came the quietness, which I liked for a moment because it was like seeing the light, but then I went tense again thinking they would come back
[10/8 22:25] Lorena: And that was it
[10/8 22:25] Lorena: They came back and I felt them behind and around me
[10/8 22:25] Lorena: Everywhere
[10/8 22:25] Lorena: And I couldn’t see them
[10/8 22:26] Lorena: It gave me the goosebumps
[10/8 22:26] Lorena: And then again like a scanner
[10/8 22:26] Lorena: Something weird
[10/8 22:26] Lorena: Paranoid
[10/8 22:26] Lorena: And after that slowly the calm
[10/8 22:26] Lorena: Like they started to forget I was there
[10/8 22:26] Lorena: Anyway
[10/8 22:26] Lorena: It was so cool
[10/8 22:26] Lorena: But I was in a freak-out mood and clenching my fists
[10/8 22:37] Lorena: Besides everything was like very magnetic.


«Calm, difficult, insecurity, past, memory… back home, calm, forest in the night, cockroach, war, frog pond, night and quietness.»










Dawn Nilo

How the Work Works




It is from zero, in zero, that the true movement of being begins... The experience of pure non-objectivity in the white emptiness of a liberated nothing. — Kazamir Malevich

form vs. content       separation vs. combination       the white cube vs. the black box


www.DawnNilo.com
www.TheKingdomOfFools.com









Daniela Petrini

Hier, Jetzt, Dasein, Dieses, Ich
oder: von der Unmöglichkeit den Anderen zu verstehen

Mit dem Projekt zum Tastsinn versuche ich den Sinn der Berührung zu ermitteln, den Sinn, der dem Körperlichen verhaftet ist. Unser Körper ist existenziell. Unser Körper nimmt Raum und Zeit ein. Unser Körper dient als Resonanzkörper, der die Beziehungen zum Außenraum erfahren und definieren lernt. Die körperumspannende Haut bildet die begrenzende Membran zwischen Außen und Innen, zwischen Subjekt und Welt Sie steht in direktem Kontakt mit beiden Seiten. Ebenso ist sie die Schnittstelle für die anderen vier Sinne. Mit und durch die Haut berührt man und wird man berührt. Sie ist das Medium des Tastsinns.

Mein Zugang erfolgt über »Störungen« der Wahrnehmung. Das Interesse an diesem Thema entwickelte sich aus dem täglichen Umgang mit meiner Tochter, die in ihren körperlichen, geistigen sowie sozialen Kompetenzen stark beeinträchtigt ist. Wie nimmt man seine Umwelt wahr, wenn eine Störung vorliegt, die das Wahrnehmungsvermögen im üblichen Verständnis einschränkt? Wie ereignet sich Kommunikation, wenn Sender und Empfänger keinen gemeinsamen Code entwickeln können? Was heißt miteinander zu lernen für ein Referenzsystem? Ist Bewegung eine Grundlage körperlicher Wahrnehmung im Raum? Mit der Frage nach der Bedeutung einer Berührung mit Menschen oder Objekten versuche ich eine Annäherung an non-verbale Kommunikation, an eine mir zunächst ungewohnte Sprache. Ich versuche meine Empathie-Fähigkeit zu schärfen, um die Wahrnehmung aus Sicht meiner Tochter zu begreifen. Die erste Annäherung erfolgt über die Haut.


Die drei reflexiven Arbeiten wählen jeweils einen anderen Zugang zu der Thematik: »2016 06 29 – 2016 07 20« ist ein dokumentarischer Zugang und zeigt Sequenzen aus dem Alltag. »Triptychon« ästhetisiert. »AudioMapping« versammelt entsprechend einem Fotoalbum Erinnerungen an Geräusche und ist ein fortlaufendes Projekt. Die Notizen zum Projekt »Hier, Jetzt, Dasein, Dieses, Ich« bündeln meine Recherche.


www.menuedata.net
www.touchwalks.com




→ Donwload PDF: Notizen zum Projekt »Hier, Jetzt, Dasein, Dieses, Ich«


2016 06 29 – 2016 07 20, Video Dokumentation 7:11 Min.



Triptychon, Video Loop 5 Min.




AudioMapping (15 Tracks)




Maeva Rosset

ANTIPARFUM

Ausgangspunkt von antiparfum ist, durch die Kreation von einem Parfüm mein Interesse an Gerüchen und Düften zu verstehen.

Was ist ein Riechstoff? Was bedeutet es Parfümeur zu sein? Wie übersetzt man eine Idee, ein Bild oder einen Text in ein Parfüm? In mehreren Etappen und Treffen habe ich, zusammen mit dem Parfümeur Giovanni Sammarco, 14 repräsentative Zutaten ausgewählt, die mich in meiner künstlerischen Praxis beschäftigen. Diese wurden anhand ihrer Geschichte oder ihrer Bedeutung und nicht anhand ihres olfaktorischen Werts ausgewählt. Durch Gruppierungen der Zutaten anhand von Themen wurde systematisch eine Formel erstellt. Das Geruchsergebnis ist weniger wichtig als das, was die Mischung dieser Zutaten darstellt. Das Resultat ist ein nicht marktfähiges Parfüm, das nach aktuellen europäischen Normen, nicht auf der Haut tragbar ist.


www.maevarosset.com









Paul Takács

Hallo Herr Schmidt

«Hallo Herr Professor, dass ich mich nicht, dass du die Möglichkeit, dass ich nicht, dass ich das nicht mehr so viel zu tun, um die Ohren steif, ,,,,,,and the City of the e r e, z mache ich mir auch noch die Frage, wie ich das nicht so gut wie gar nicht so gut, dass ich nicht, aber auch die ganze Familie, Senioren und ich habe mich auch nicht mehr so gut, dass die Nachricht vom letzten mal, ob die noch nicht ganz klar die und die anderen sind wir dann auch mal ein paar Tage, der ist ja auch schon die ganze Zeit über die Bühne und, wenn du mir die Frage ob ich das auch nicht mehr so viel wie die letzten Tage nicht mehr, aber ich bin ein wenig an die Nutzung von der Uni und und und und, wenn ich mich nicht so viel zu tun, aber das wird sich der Aufwand, ,,and I have been in business, you can be used for the next few days ago by, and I will also need the money, but I have to go back to the extent permitted to be honest. This was the only one of those.»

Nachrichten wie diese erhalte ich, seit ungefähr eineinhalb Jahren regelmässig von meinem siebenjährigen Sohn Aurél. Diese Texte schickt er mir über WhatsApp, vom Smartphone meiner Frau auf meines. Er kann zwar bereits ein bisschen lesen und schreiben, aber nicht so, dass er diese Nachrichten selbständig schreiben könnte. Zur Hilfe verwendet er die automatischen Wortvorschläge der Applikation. Kaum fängt er an zu schreiben, erscheinen unter dem Schreibfenster verschiedene Wortvorschläge und Vorschläge für Satzzeichen, welche er vermutlich rein intuitiv in den Text einbindet. Es ist eine Mischung von Zufall, Algorithmen und bewusst gewählten und geschriebenen Wörtern meines Sohnes.

Ich als Leser sehe nicht wie dieser Text entstanden ist. Ich sehe nur das Resultat. Und dieses finde ich immer wieder überraschend. Die Texte sind wirr, manchmal fast poetisch und frisch.

Meist schreibe ich Aurél nicht zurück, und wenn doch, dann nur ganz kurz. Ich will diese skurrilen und spontan gewählten Inhalte durch logische Antworten nicht zerstören. Oft, wenn ich am Abend wieder zu Hause bin, lese ich Aurél die Texte laut vor.

Meine reflexive Arbeit beinhaltet die chronologische Zusammenstellung der WhatsApp-Nachrichten meines Sohnes.


→ Download PDF: «Hallo Herr Schmidt» Texte von Aurél





Yota Tsotra

I HAVE SEEN ALL THESE BEFORE

Rug made out of carbon-, glass-, aramid-, flax- and cotton-fibers
Dimensions: 104 cm x 177 cm

Visual footage from the project‘s realization at Elafotopos Zagori, Greece:
Weaver: Lena Gerothanasi.
Camera: Lila Tsatsi

Cover photo: Nici Jost





Our relation to technology historically and currently is the profound driver for this project. The majority of the mankind's technological achievements manifest after a long period of scientific research, targeting on a concrete, innovating application. Carbon fibers and composite materials have been developed in order to serve the demanding requirements of the aeronautics and space industry. In the meantime, these technologies are utilized in a variety of other beneficial applications but also in unnecessary, luxurious design objects. Technology seems to be often undermined and misused simply to satisfy our lust for materialistic pleasure. Moreover, I am enquiring the ways in which technology and tradition meet, collide and apparently melt together.

For the present project, I worked together with the weaver Lena, based in a small village, on the Pindos Mountains in Greece. I supplied her with carbon-, glass-, aramid- and flax-fibers (typical fibers used in the composite materials) and asked her to weave a textile using a traditional wooden loom. The design was selected from traditional patterns. The weaver had to be thoroughly protected, as most the fibers are hazardous for the human body. Eventually, a toxic rug was weaved.


Reading List:
– Benjamin Bratton, The Stack. On Software and Sovereignty. The MIT Press, 2016
– Benjamin Bratton, The black stack. e-flux journal #53 — March 2014
  (http://www.e-flux.com/journal/the-black-stack/)
– Jussi Parikka, The Anthrobscene. (Short booklet in the Forerunners e-book series).
  Minneapolis: University of Minnesota Press, 2014.
–Graham Harman, The Third Table, documenta(13)


www.yotatsotra.com










Karin Würmli

THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG

Ausgangspunkt von «The quick brown fox jumps over the lazy dog» ist eine Sammlung von Post-it Haftnotizen, die ich beim Lesen gemacht habe. Die meisten Notizen stammen aus Texten über Ikonoklasmus. Über einen Zeitraum von acht Monaten verteilt, habe ich auf unterschiedliche Weise versucht, eine Ordnung zu schaffen. Die Notizen, die ich aus ihrem Kontext entrissen habe, um sie in meine eigene Gedankenwelt einzuordnen, wirken im Rückspiegel betrachtet, wie Blindtexte hinter der künstlerischen Arbeit.